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Kinder und Sprache

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Was klingt, wie ein neues Motto der Eltern-Kind-Blogparade, ist in Wahrheit keins, da geht es nämlich im März um das Thema "Namen", doch dazu in der nächsten Woche mehr.
Nicht nur, weil ich schon zu Schulzeiten ein Sprachfreak war, liegt mir dieses Thema ganz besonders am Herzen. Ich finde es einfach unglaublich wichtig, dass mit Kindern viel und vor allem richtig gesprochen wird. Natürlich verschlägt es Eltern erfahrungsgemäß kurz nach der Geburt das gängige Vokabular und aus "Hallo Baby, hast du gut geschlafen? Möchtest du etwas essen?" wird kurzerhand "HeieieimeinSchnuckiputzimutzihaddufeinHeiagemacht? Lecker Happahappa?", aber irgendwann legt sich das auch wieder, spätestens, wenn der neugierige Toddler anfängt, Steckdosen, Besteck und Stereoanlagen auf eigene Faust zu erkunden ("NEIN!").

Als ich noch als Musiklehrerin im Kindergarten gearbeitet habe, habe ich wirklich krasse Situationen erlebt. Nicht nur, dass ein 5-Jähriger absolut akkurat und ausdauernd ausmalt und ein anderer in der gleichen Gruppe völlig wahllos mit Schwarz von links oben nach rechts unten kritzelt, sondern auch, dass ich trotz geschulter (und kleinkindgeübter) Pädagogenohren nicht verstehen konnte, was ein 4-jähriges Kind mir sagen möchte. Migrationshintergrund gab es in diesem speziellen Fall übrigens keinen. Als ich die Erzieher darauf angesprochen habe, meinten die nur, das Kind käme aus einem sog. "bildungsfernen" Haushalt, bei dem die Eltern den Kitaplatz nur bekommen hätten, weil das Kind im Kindergarten besser aufgehoben sei als zu Hause. Traurig! Was elterliches Desinteresse in Verbindung mit dem Parken vor dem Fernseher aus der Sprachentwicklung macht, hatte ich dort direkt vor Augen.
Für mich war es selbstverständlich, dass ich mit Fiona von Anfang an viel gesprochen habe. Auch heute noch frage ich sie beim Abholen aus dem Kindergarten nicht nur allgemein, wie ihr Tag war, sondern ich frage nach konkreten Dingen oder Situationen, wie "Was gab es denn zum Mittag?", "Was habt ihr heute alles gemacht?", "Wer hatte heute Tischdienst?" oder "Mit wem hast du heute gespielt?". Manchmal ist sie nicht in der Stimmung und sagt: "Das möchte ich nicht sagen." Das ist auch völlig okay, aber ich gebe ihr immer die Gelegenheit, mir von ihrem Tag zu erzählen und berichte ihr dann wiederum auch von meinem. Denn die Sorgen, Probleme und Gedanken der Kinder sind für sie in dem Moment genauso groß wie für uns Erwachsene unsere! Da ist es nicht der Steuerbescheid oder die Mahnung im Briefkasten, sondern der grüne Stift mit der Kappe vom gelben, weswegen die Welt untergeht... Ernst nehmen ist also auch ein großes Stichwort.

Neben dem Sprechen ist auch das Vorlesen ein ganz wichtiges Ritual, das in keiner Familie fehlen sollte! Auch wenn die Kinder irgendwann den kompletten Text vom König-der-Löwen-Buch mitsprechen können und sogar schwere Wörter wie "Scars Schreckensherrschaft" problemlos über die Lippen kriegen, hat das Vorlesen seinen Zauber nicht verloren!
Unsere Buchbibliothek hat vielleicht etwas den Rahmen gesprengt, denn Nono hatte schon mit knapp einem Jahr eine beachtliche Sammlung im Regal, aber sie ist irgendwann von sich aus zum Schrank gegangen, hat sich Bücher rausgenommen und sie mit mir gemeinsam "gelesen". Schöne Momente! Ein Highlight, was ich übrigens bis heute (!) nicht aussortieren durfte, war "Das kenn ich schon", ein großformatiges, farbenfrohes Bilderbuch von Moni Port. Auf jeder Doppelseite sind Dinge des täglichen Lebens abgebildet, z.B. Lebensmittel, Kleidungsstücke, Fahrzeuge, Spielzeuge, Musikinstrumente, etc. Besonders große Freude hatte Fiona an dem umgekippten Glas Milch mit der Bildunterschrift: "Milch umgefallen (nicht so schlimm)", dem kaputten Ei und der Barbie mit abgebrochenem Bein. Auf der NEIN-Seite sind Messer, Wein, Hundekacke, Steckdose, Nähnadeln, Glasscherben, Fliegenpilze und anderes nicht Empfehlenswertes abgebildet. Sie hat es geliebt und täglich "gelesen". An "Papas Karre" auf der Musikinstrumentenseite erinnere ich mich noch gut!

Von Experten wird geraten, die süßen Zwei-Wort-Sätze wie eben "Papas Karre" im ganzen Satz zu wiederholen, in dem Fall also: "Richtig, das ist Papas Gitarre!". Das macht man in der Regel automatisch so. Kinder lernen eine Sprache natürlich nicht durch das Pauken grammatikalischer Regeln, sondern allein durch Imitation, sie hören sich also den korrekten Satzbau und die richtige Reihenfolge der Wörter ab und machen es nach. Ganz besonders effektiv ist Sprache in Verbindung mit Musik. Wer sich schon ein Mal in seinem Leben darüber gewundert hat, dass lästige Definitionen einfach nicht hängen bleiben wollen, wohl aber der Songtext des neusten Hits von Katy Perry, wird das bestätigen können. Bei den Allerkleinsten ist das genau das Gleiche. Wenn Eltern anfangs für und später mit ihren Kindern singen, ist das erstens eine ganz besondere, emotionale Zuwendung und zweitens verankert sich die Sprache durch Melodie und Rhythmus wie von selbst und muss später nur noch abgerufen werden. Wenn ich belächelt wurde angesichts der Tatsache, dass ich Musikkurse für Babys ab 6 Monaten angeboten habe, musste ich immer wieder betonen, dass das nicht in erster Linie Kurse für die Kinder, sondern Kurse für ihre Eltern sind! Denn genau die sollen dort lernen, wie sie ihr Kind zu Hause gezielt fördern können und mit Frühförderung meine ich nicht "Chinesisch für Krabbelkinder" für alle, die überzeugt sind, kleine Einsteins ausgebrütet zu haben, sondern die Entwicklung und den richtigen Gebrauch der Muttersprache.
Ich höre oft Sätze wie: "Früher gab es diesen ganzen Kurswahnsinn noch nicht und wir sind trotzdem groß geworden." Ich lehne mich so weit aus dem Fenster und behaupte, dass Eltern und speziell die Großeltern diesen "Kurswahnsinn" schlicht und ergreifend nicht gebraucht haben, weil es selbstverständlich gewesen ist, dass dem Nachwuchs einfache Kinderlieder vorgesungen wurden und er zu "Hoppe Hoppe Reiter" im Silbenrhythmus auf den Knien geritten und in den Sumpf geplumpst ist. Alle Kinder lieben Kniereiter und können gar nicht genug davon bekommen. Aber wer kennt denn heutzutage noch welche davon außer vielleicht den oben genannten? Wer weiß denn noch, was die fleißigen Handwerker im gleichnamigen Lied für Berufe hatten? Es geht soweit, dass ich beim Instrumentalunterricht mit meinen Erstklässlern in fragende Gesichter gucke, wenn ich mit ihnen "Der Kuckuck und der Esel" oder "Old McDonald hat 'ne Farm" singen und spielen möchte...


Nicht zwingend notwendig (ja, ja, ich weiß, wir sind auch ohne groß geworden... ;) aber hoch interessant zum Thema Sprachentwicklung ist auch die Babygebärdensprache. Schon mal gehört? Die Gebärden haben in dem Fall nichts mit Taubheit zu tun, sind sie doch für hörende Kinder von hörenden Eltern gedacht, denen die Zeichen eine Möglichkeit der Kommunikation bieten, bevor das Kind sprechen kann. Da die motorische und geistige Entwicklung schneller verläuft als die der Sprache, kann sich ein Kind schon früh (mit ca. 7-9 Monaten) verständigen und über die Zeichen Wünsche und Bedürfnisse ausdrücken. Das Geheimnis dieser besonderen Kommunikation liegt - wie bei so vielem - in der Wiederholung. "Winke-Winke" dürfte den meisten als gängiges Zeichen zur Begrüßung und Verabschiedung bekannt sein. Darüber hinaus gibt es Gebärden für "Trinken", "Essen", "Schlafen", "Windel", "Noch mehr", "Aua", etc., was so ein kleiner Mensch eben benötigt, um sich auszudrücken. Die meisten Zeichen sind absolut logisch und liegen wortwörtlich auf der Hand (Trinken = wie Becher zum Mund führen, Schlafen = Handflächen aneinander und an die Wange legen). Die Befürchtung, dass das eigentliche Sprechenlernen durch die Benutzung der Zeichen verzögert oder gar gehemmt wird, ist völlig unbegründet. Da die Gebärden immer in Verbindung mit dem jeweiligen Wort/Satz verwendet werden, wird die Sprachentwicklung enorm unterstützt und gefördert.
Warum ich das schreibe, obwohl mein Kind schon lange über das Zeichenalter hinaus ist? Weil ich gerade vor ein paar Tagen bei Sabrina vom Babykeks-Blog ihre positiven Erfahrungen mit der Babygebärdensprache gelesen habe und sie dabei unterstützen möchte, diese tolle Form der Kommunikation mit dem Baby noch populärer zu machen.

Dennoch: auch wenn man sein Kind schon im Babyalter gezielt fördert, gibt es natürlich keine Garantie für frühe Erfolge. Kinder sind kleine Individuen und keine Maschinen. Man kann ihnen das Beste mit auf den Weg geben, aber in welchem Tempo sie sich letztendlich entwickeln, entscheiden sie ganz allein. Fiona konnte zwar sehr früh sprechen und benutzte korrekte Imperative ("Iss", "Nimm", etc.), dafür trug sie Windeln, bis sie fast 3 Jahre alt war. Das traf meine Oma auf den Punkt: "Redet wie ein Advokat aber sch**** in die Hose..." ^^

Ich kann - auch zukunftsorientiert für meine Arbeit als Pädagogin - nur hoffen, dass wieder mehr Eltern mit ihren Kindern singen und vor allem viel, viel mit ihnen sprechen und regelmäßig vorlesen. Noch ein schönes und wahres Zitat von der Ideenquelle Pinterest als Schlusswort:

"The way we talk to our children becomes their inner voice."

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